Seit dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015, in Geltung seit 1.1.2017, gibt es ein sogenanntes Pflegevermächtnis.

Demnach steht einer dem Verstorbenen nahe stehenden Person, die diesen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß gepflegt hat, ein auf Grund des Gesetzes ein Vermächtnis, soweit nicht eine Zuwendung gewährt oder ein Entgelt vereinbart wurde, zu. Pflegeleistungen, die oftmals unentgeltlich erbracht wurden, erfahren damit eine Besserstellung, da sie schon per Gesetz unter den dort dargestellten Voraussetzungen „entlohnt“ werden.

Dieses relativ neue und durchaus sinnvolle Rechtsinstitut hat viele Fragen aufgeworfen, die im Gesetz nicht abschließend geregelt sind. So stellt sich zunächst die Frage, welche Leistungen relevant sind. Daneben lässt sich über die gebührende Höhe der gesetzlich vorgesehenen Abgeltung trefflich streiten.

Kürzlich hatte der oberste Gerichtshof erstmals die Frage zu beantworten, wie das Verhältnis zwischen Pflichtteilsanspruch und Pflegevermächtnis zu beurteilen ist. Im Anlassfall hat der Erblasser seine Ehefrau und zwei Kinder hinterlassen. Er hat die Ehefrau testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt. Die Kinder erhalten damit automatisch nur den Pflichtteil. Ein Kind machte seinen Pflichtteilsanspruch gerichtlich geltend. Die Ehefrau wandte ein, sie habe den Erblasser vor seinem Tod entsprechend gepflegt und stehe ihr daher ein Pflegevermächtnis zu. Dieses sei vorab abzuziehen und mindere daher die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil der Klägerin und damit deren Pflichtteilsanspruch der Höhe nach.

Der oberste Gerichtshof hat die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend bestätigt, dass das Pflegevermächtnis – ähnlich dem bereits länger bestehenden gesetzlichen Voraus des Ehepartners – nicht pflichtteilsmindernd zu behandeln ist. Das bedeutet, dass sich der Pflichtteilsanspruch der Kinder in diesem Fall nicht durch ein allfälliges Pflegevermächtnis vermindert.

Für Rückfragen: Mag. Raphael Janisch 

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